Steiles Kletterparadies

Nachdem wirklich überzeugendem Chulilla-Aufenthalt Ende Februar, verspürte ich auch bei der Planung der Pfingstferien den Drang nach Neuland. Die Gebiete um Annecy, vielleicht kombiniert mit Céüse oder doch gleich wieder Spanien? In den Pyrenäen waren wir noch nie. Nach kurzer Naturfotografen-Recherche war Urs' Favorit klar, schließlich wimmelt es in den Pyrenäen nur so von Geiern aller Sorten und auch Bienenfresser (der Vogelfotografen liebstes Objekt) gibt es angeblich wie Sand am Meer. Mich haben mehr die Kletterberichte von Rodellar überzeugt und das Versprechen, dass es dort Pfingsten in aller Regel nicht zu heiß ist. Yvonne hatte angesichts der 1500km Anfahrt schon massive Vorbehalte, aber letztlich konnten wir sie überzeugen.

Yvonne in toller, aber namenloser 6a+ im Sektor El Delfin

Der Autor in Aufwärm-6b gleich neben dem Tagesziel El Delfin

Gran Boveda im Abendlicht: Allein hier über 60 Routen

Die beiden Torbögen am El Delfin: Magischer Platz mit vielen grandiosen Touren

Dass die Entscheidung nicht so ganz verkehrt war, wurde spätestens am Samstagmorgen beim ersten Abstieg in den Mascun Canyon klar. Sensationelle Umgebung und darin eingebettet eine ganze Serie von höhlenartigen Gebilden, die in Millionen Jahren nur für uns Kletterer des 21. Jahrhunderts entstanden sind. Dieser Eindruck drängt sich zumindest ganz stark auf, weil alles gar so gut passt.

Blick vom Gran Boveda auf Rodellar

Da die einzelnen Sektoren eben höhlenartig anmuten, liegt die Vermutung nahe, dass vieles steil und sehr steil sein wird. Und diese Vermutung bestätigt sich. Es gibt schon auch sehr viele tolle Linien mit 'normaler' Neigung und es gibt auch einige Sektoren mit guten Touren im französischen Sechserbereich, aber generell herrscht ab dem siebten Franzosengrad stark überhängendes, häufig versintertes Gelände mit eher guten Griffen vor. Die Top-Linien sind häufig nicht nur sausteil, sondern auch noch unglaublich lang. Immer wieder fragt man sich beim Zuschauen, wie es denn sein kann, dass die oder die Linie 'nur' 8a sein soll. Ein Teil des Rätsels Lösung ist wohl ausgefeilte Sintertechnik. Kaum einen der Hardmover sieht man ohne Klemmschutz für Knie oder Oberschenkel - man braucht sozusagen für jeden Rest das richtige Equipement (oder man ist echter Masochist).

Wir hatten wirklich eine Reihe brillanter Klettertage. Obwohl das ganz Steile nicht so mein Gelände ist, liefs richtig gut. Der Punkt in der unzweifelhaft spektakulärsten Route, die wir angefasst haben, blieb mir allerdings, im Gegensatz zu Urs, versagt. Nichtsdestotrotz haben auch schon die Versuche richtig Spaß gemacht: El Delfin (7c+), ein phantastischer Torbogen in sensationeller Lage, hoch oben über der Schlucht. Die Delfinform erschließt sich erst aus einer bestimmten Perspektive aus dem Schluchtgrund, ist aber dafür um so verblüffender.

 

Delfin: Der Name erschließt sich erst von der richtigen Stelle im Schluchtgrund aus

Urs in der wirklich sensationellen Route El Delfin, 7c+

Martin Hensel in A toro passau, 7a+; quer durch das große Dach rechts geht die 7c+ Made in Mascun

Urs in Sayonara Baby (7c) im Sektor La Surgencia

Auch an den Nicht-Klettertagen erfüllten die südlichen Pyrenäen alle unsere Erwartungen. Die Fototage in der näheren und weiteren Umgebung, z.B. am Castel de Montearagón waren super, auch wenn Urs feststellen musste, das Bienenfresser zwar die farbigsten, aber sicher nicht die am einfachsten zu fotografierenden Vögel sind.

Highlight der Rodellartage war sicher die Geierfütterung, die wir, mit etwas Glück, am ersten Ruhetag ausgekundschaftet hatten. Als wir uns am Samstagmorgen dem wirklich unscheinbaren und ohne Vorrecherche kaum findbaren Santa Cilia de Panzano näherten, war schnell klar, dass nicht nur wir den Termin kannten. Ein erstaunliche Anzahl Geier kreiste schon überm Ort und beobachtete wie ihr Mentor Manuel Aguilera und sein Team das Mahl zur Futterstelle brachten. Die Geier fraßen dem Mann im wahrstend Sinne des Wortes aus der Hand und er schien jedes, der sicher weit über 100 Tiere, mit Namen ansprechen zu können.

Die etwa zwei Dutzend Zuschauer verhielten sich extrem diszipliniert und neben den Erklärungen von Manuel und dem Klicken der Fotoapparate waren wirklich nur die Geier zu hören. Geniale Momente, nicht nur für Fotografen, wenn diese Riesen mit annähernd drei Metern Spannweite keine drei Meter überm Kopf am Futterplatz einschweben. Anschließend gab es noch das kleine, aber durchaus spannende Geiermusseum im Ort zu besichtigen. Auf jeden Fall sehr beeindruckend, wie hier Tier- und Naturschutz gelebt und kommuniziert wird. (fondoamigosdelbuitre.org)

Unser Kletterurlaub bekam am Anfang der zweiten Woche leider einen kleinen Knick: Eine, über ganz Südeuropa hereingebrochene, Hitzewelle und das völlige Fehlen des, angeblich für die Mascun-Schlucht typischen, Windes. Zweimal Klettern hielten wir noch aus, dann beschlossen wir Rest der Woche weiter nördlich in Tres Ponts, einer Schlucht mit Ostwand und zuverlässigem Nachmittagswind, zu verbringen. Hat soweit auch alles gepasst und wir hatten noch zwei gute Klettertage, sehr heiß war es aber immer noch.

Neben Rodellar noch woanders geklettert zu sein, fand ich im Nachhinein schon auch wichtig. Die Qualität, auch der weniger bekannten Gebiete, legt den Verdacht nahe, das sehr viele der Spots aus dem Pyrenäenführer 'LLeida Climbs' einen Besuch mehr als wert sind. Auch wenn die Pyrenäen sehr weit weg bleiben, zumindest für einen Campingbus-Urlaub.

Die Schlucht von Tres Ponts; auch hier - wie so oft in Spanien - eine 40m Supertour neben der anderen; allerdings fanden wir die Felsqualität nicht so gut wie in Rodellar; teilweise sind die Strukturen schon sehr scharf

Eine absolut irre Storchenkolonie entdeckten wir neben der Autobahn von Huesca nach Lerida. Solche Strommasten wie diesen, mit der gleichen Belegung, gab es viele. Da haben die Frösche im nahegelegenen Fluss keine gute Zeit ...

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